Praktischer Leitfaden zur systematischen Identifizierung von KI-Anwendungsfällen.
Ihr Team sammelt Ideen, doch die Priorisierung hakt. Dieser Leitfaden führt Sie von der sauberen Identifizierung der Anwendungsfälle (Use Cases) zur belastbaren Make-or-Buy-Entscheidung. Mit klaren Kriterien, messbaren Ergebnissen und geringem Risiko.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Ihr Team sprudelt vor Ideen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, aber am Ende fehlt ein klarer Plan. Projekte verlaufen im Sand, weil die Priorisierung unklar ist und niemand die entscheidende Frage beantworten kann: «Welches Problem lösen wir hier eigentlich und für wen?» Dieser Leitfaden ist Ihr Kompass und führt Sie Schritt für Schritt von der vagen Idee zum klaren KI-Anwendungsfällen und schliesslich zu einer fundierten Make-or-Buy-Entscheidung. So schützen Sie Ihr Budget, vermeiden teure Fehlschläge, schaffen Vergleichbarkeit und stellen sicher, dass Ihre KI-Initiativen vom ersten Tag an auf echten Mehrwert ausgerichtet sind.
Identifizierung und Entwicklung von KI-Anwendungsfällen
AI Use Cases Template
Das Problem auf den Punkt bringen: Bevor Sie über Lösungen nachdenken, definieren Sie das eigentliche Geschäftsproblem.
Welchen konkreten Schmerzpunkt in Ihrem Unternehmen wollen Sie mit KI lindern? Geht es um Zeitersparnis, Kostensenkung oder Qualitätsverbesserung?
Ihr Nutzen: Am Ende dieses Schrittes halten Sie eine prägnante Problemdefinition in den Händen, die jeder im Team versteht und mitträgt. Das ist die unverzichtbare Grundlage für alles Weitere denn nur wer sein Problem klar benennen kann, findet auch die richtige Lösung.
Das Ziel klar definieren: Ein grosses Problem kann lähmen. Brechen Sie es deshalb in überschaubare Teilaufgaben herunter.
Was genau soll die KI-Lösung leisten? Welche Arbeitsschritte soll sie automatisieren oder unterstützen?
Definieren Sie konkrete, messbare Ziele.
Ihr Nutzen: Das schafft nicht nur eine klare Struktur für Ihr Projekt, sondern macht auch den Weg zum Ziel greifbar und motiviert das gesamte Team. Ausserdem erkennen Sie bereits hier, ob Ihr Vorhaben realistisch dimensioniert ist oder ob Sie nachjustieren müssen.
Die KI Lösung skizzieren: Jetzt wird es konkret.
Welche Art von KI-Technologie kommt für Ihr Problem infrage? Brauchen Sie ein Sprachmodell für die Textverarbeitung, Bilderkennung für die Qualitätskontrolle oder Predictive Analytics für Prognosen?
Sie müssen nicht ins technische Detail gehen, aber eine grobe Richtung sollten Sie haben.
Ihr Nutzen: Diese Einordnung hilft Ihnen später bei der Make-or-Buy-Entscheidung enorm. Sie wissen, wonach Sie am Markt suchen müssen und können realistische Erwartungen an Aufwand und Machbarkeit entwickeln. Gleichzeitig grenzen Sie das «Nice-to-have» vom wirklich Notwendigen ab.
Datenquellen und Datenverfügbarkeit prüfen: KI lebt von Daten, aber welche haben Sie überhaupt?
Wo liegen Ihre Daten (in welchen Systemen, Formaten, Abteilungen)? Wie ist die Qualität?
Ganz wichtig: Handelt es sich um geschäftskritische oder besonders sensible Informationen?
Ihr Nutzen: Dieser Realitätscheck bewahrt Sie vor bösen Überraschungen. Viele KI-Projekte scheitern nicht an der Technik, sondern an mangelhaften oder unzugänglichen Daten. Mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme wissen Sie, wo Sie stehen und welche Vorarbeiten nötig sind.
Rahmenbedingungen klären: Jetzt geht es um die rechtlichen und ethischen Aspekte.
Verarbeiten Sie personenbezogene Daten? Welche DSG-/ DSGVO-Anforderungen müssen Sie beachten? Gibt es branchenspezifische Vorschriften? Und wie stehen Sie zu ethischen Fragen wie Transparenz und Fairness Ihrer KI-Lösung?
Ihr Nutzen: Indem Sie diese Fragen frühzeitig klären, vermeiden Sie teure Nacharbeiten und rechtliche Probleme. Sie können von Anfang an «Compliance by Design» praktizieren und haben später keine unliebsamen Überraschungen bei der Umsetzung.
Risikoeinstufung: Z.B. der EU AI Act kategorisiert KI-Systeme nach ihrem Risikopotenzial: minimal, begrenzt, hoch oder inakzeptabel.
Wo ordnet sich Ihr Anwendungsfall ein? Welche Dokumentations- und Transparenzpflichten ergeben sich daraus?
Ihr Nutzen: Diese Einstufung ist nicht nur rechtlich relevant, sondern hilft Ihnen auch bei der strategischen Planung. Hochrisiko-Anwendungen erfordern mehr Aufwand und Expertise, das sollten Sie bei der Make-or-Buy-Entscheidung berücksichtigen. Gleichzeitig schaffen Sie von Anfang an die nötige Dokumentation für Audits und Zertifizierungen.
Impact und Skalierung planen: Zum Abschluss der große Blick.
Welchen messbaren Nutzen erwarten Sie von der Lösung? Wie wollen Sie den Erfolg messen (KPIs = Key Performance Indicator)? Und falls das Projekt erfolgreich ist, wie könnte eine Ausweitung auf andere Bereiche oder Anwendungsfälle aussehen?
Ihr Nutzen: Mit klaren Erfolgskennzahlen können Sie objektiv bewerten, ob sich die Investition lohnt. Der Blick auf die Skalierung hilft Ihnen, von Anfang an die richtige Architektur und Strategie zu wählen. So vermeiden Sie, dass Sie später bei null anfangen müssen, wenn Sie die Lösung ausweiten wollen.
Nach diesen Schritten haben Sie alle Informationen beisammen, die Sie für eine fundierte Entscheidung brauchen. Sie kennen Ihr Problem, wissen um die technischen Möglichkeiten, haben die rechtlichen Rahmenbedingungen im Blick und können den erwarteten Nutzen realistisch einschätzen. Jetzt sind Sie bereit für den nächsten Schritt: die Make-or-Buy-Entscheidung.
MVP planen | Starten Sie klein, lernen Sie schnell.
Der Weg zum MVP statt monatelang an einer perfekten, aber möglicherweise falschen Lösung zu arbeiten, setzen wir auf den Ansatz des «Minimal Viable Product» (MVP). Die Idee: Mit minimalem Aufwand eine erste, lauffähige Version Ihrer KI-Lösung zu erstellen, um schnell echtes Feedback zu sammeln und das Risiko zu minimieren. Für Sie als Mittelständler ist das der ideale Weg. Der erste Test (Proof of Concept): Beginnen Sie schlank und sicher. Führen Sie einen ersten Funktionstest bewusst ohne sensible oder personenbezogene Daten durch. Das beschleunigt den Prozess enorm und hält den initialen Abstimmungsaufwand mit Datenschutz und IT-Sicherheit gering.
Make-or-Buy bewerten
Entscheidung ist mit strategischer Wettbewerbspositionierung verknüpft
Die Frage nach «Make or Buy» ist eine der wichtigsten Weichenstellungen für Ihr KI-Projekt. Sie entscheidet nicht nur über Kosten und Zeitrahmen, sondern auch über Ihre strategische Positionierung im Wettbewerb. Diese Matrix hilft Ihnen, systematisch die richtige Position zu finden.
Die sechs entscheidenden Fragen
Um Ihren Anwendungsfall in der Matrix zu verorten, sollten Sie sich ehrlich sechs Schlüsselfragen stellen. Nehmen Sie sich die Zeit für eine gründliche Analyse sie ist die Basis für eine Entscheidung, die Sie begleiten wird.
1. Strategischer Hebel: Wo schaffen wir echten Wettbewerbsvorteil?
Die Frage: Handelt es sich hier um ein nettes «Nice-to-have» oder schaffen wir einen echten, strategischen Vorteil, der uns vom Wettbewerb abhebt? Wird diese KI-Lösung zu einem Kernbestandteil unseres Geschäftsmodells oder optimiert sie «nur» interne Prozesse?
Warum das wichtig ist: Strategische Vorteile rechtfertigen höhere Investitionen in Eigenentwicklung. Operative Verbesserungen können oft kostengünstiger eingekauft werden.
2. Kontrolle und Datenhoheit: Wie wichtig ist die volle Kontrolle?
Die Frage: Wie kritisch ist es, dass das KI-Modell und alle Daten zu 100 % in unserer Hand bleiben? Geht es um hochsensible Geschäftsdaten oder Kernprozesse, bei denen externe Abhängigkeiten ein Risiko darstellen?
Warum das wichtig ist: Bei geschäftskritischen Daten oder Prozessen kann eine externe Lösung zum Risiko werden. Gleichzeitig sind eigene Lösungen wartungsintensiver.
3. Lernkurve: Wollen wir gezielt Know-how aufbauen?
Die Frage: Ist es unser Ziel, mit diesem Projekt internes KI-Know-how aufzubauen, auch wenn es anfangs länger dauert und mehr kostet? Oder wollen wir schnell zum Ergebnis kommen und das Lernen anderen überlassen?
Warum das wichtig ist: Der Aufbau interner Kompetenz ist eine Investition in die Zukunft, kostet aber Zeit und Ressourcen. Bei Standardanwendungen ist das oft nicht nötig.
4. Einzigartigkeit: Wie speziell ist unser Problem?
Die Frage: Gibt es bereits Standardlösungen am Markt, die 80 % unseres Problems lösen? Oder ist unsere Anforderung so speziell und einzigartig, dass nur eine massgeschneiderte Eigenentwicklung infrage kommt?
Warum das wichtig ist: Je standardisierter das Problem, desto eher lohnt sich der Kauf. Je spezifischer die Anforderung, desto mehr spricht für eine Eigenentwicklung.
5. Performance externer Tools: Wie gut sind die Alternativen?
Die Frage: Wie gut, zuverlässig und ausgereift sind die verfügbaren externen Lösungen wirklich? Erfüllen sie unsere Qualitäts- und Performance-Anforderungen oder müssten wir Kompromisse eingehen?
Warum das wichtig ist: Eine mittelmässige Standardlösung kann teurer werden als eine gute Eigenentwicklung, wenn sie das Problem nicht richtig löst.
6. Gesamtkosten (Total Cost of Ownership): Was kostet es wirklich?
Die Frage: Berücksichtigen wir alle Kosten von der initialen Entwicklung über laufende Lizenzgebühren bis hin zu Wartung, Updates und möglichen Anbieterwechseln? Wie sieht die Kostenbilanz über Zeitraum X aus?
Warum das wichtig ist: Die günstigste Lösung am Anfang ist nicht immer die kostengünstigste über die gesamte Laufzeit.
Die Entscheidung treffen
Nachdem Sie die sechs Fragen beantwortet und Ihren Use Case in der Matrix verortet haben, haben Sie eine Richtung. Aber denken Sie daran: Diese Matrix ist ein Kompass, kein Gesetz. Berücksichtigen Sie auch Ihre spezifische Situation verfügbare Ressourcen, Zeitdruck, Risikotoleranz und strategische Prioritäten.
Herzlichst
Peter Duliba